Erklärung des Asylkreises Oftersheim zur sogenannten „Entrümpelung“ der Flüchtlingsunterkunft im Gewerbepark Hardtwald

Am Freitag, dem 12.8.2016 hat der für die Gemeinschaftsunterkunft im Gewerbepark Hardtwald zuständige Wachdienst ab ca. 15:00 Uhr unter der Begründung, die Hausordnung durchzusetzen und für die Einhaltung der Brandschutzbestimmungen zu sorgen, die Gemeinschaftsunterkunft geräumt, das Eigentum der dortigen Bewohner in Form von Möbeln, Elektrogeräten, Speisen usw. entfernt und in drei bereitstehende Container entsorgt. Anwesend waren neben der Polizei, die vom Sicherheitsunternehmen gerufen wurde, auch das Fernsehen sowie Anwohner, die das Geschehen abfällig kommentierten.

Der Asylkreis verurteilt diese Aktion auf Schärfste. Neben eklatanten Kommunikationsmängeln von Seiten der Security und dem Rhein-Neckar-Kreis, die es nicht für nötig befanden, den Asylkreis oder die Hallenbewohner im Vorfeld zu informieren, stellen wir fest, dass die Aktion insgesamt vollkommen unverhältnismäßig war und mit unnötiger Härte durchgeführt wurde. Die Würde und die Rechte der Hallenbewohner wurden mit Füßen getreten und diese in aller Öffentlichkeit bloß- und als für die Versäumnisse Dritter verantwortlich hingestellt. Der Asylkreis wird im Interesse der Bewohner den Vorgang juristisch prüfen und falls notwendig gegen die Verantwortlichen vorgehen.

Die Halle im Gewerbepark, betrieben durch den Rhein-Neckar-Kreis, wurde am 20. Januar 2016 von den ersten Flüchtlingen bezogen. Die offizielle Ausstattung der Zellen für bis zu zwölf Bewohner, die aus mit Planen bespannten Bauzäunen bestehen, bestand beim Einzug aus Etagenbetten inkl. Bettwäsche; weiterhin war ein Spind pro Bewohner vorgesehen. Zusätzlich wurden vom Landratsamt pro Zelle jeweils ein Tisch sowie zwei Stühle zur Verfügung gestellt. Ein Großteil der Stühle und der Betten hatten eine so schlechte Qualität, dass diese nach wenigen Wochen ausgetauscht werden mussten. Die Spinde wurden erst Wochen nach Bezug geliefert, sodass die Bewohner über längere Zeit keine Möglichkeit hatten, ihre Papiere und Wertgegenstände sicher aufzubewahren.

Der Asylkreis ist der Ansicht, dass unter diesen Bedingungen kein menschenwürdiges Leben möglich ist, weshalb dem Bedürfnis der Bewohner, für individuelle Lebensbedingungen zu sorgen, großes Verständnis entgegen gebracht wird. Ebenso ist festzustellen, dass verschiedene vom Asylkreis unternommene Initiativen zur Verbesserung der Lebensqualität durch das Landratsamt blockiert wurden. Als Beispiel ist hier die Anschaffung von Kühlschränken für die heißen Sommermonate zu nennen, die nicht genehmigt wurde. Vor diesem Hintergrund ist es weder verwunderlich noch verwerflich, dass die Bewohner eigene Initiativen ergriffen haben, um sich ein Mindestmaß an Lebensqualität zu sichern, wozu eine individuelle Einrichtung, Besitz sowie Möglichkeiten zum Lagern und Zubereiten von Speisen gehören.

Seit dem ersten Tag übernimmt die Firma DS Security GmbH den Wachschutz der Unterkunft – von Anfang an mit der Anweisung, dass aus Brandschutzgründen keine elektrischen Geräte durch die Bewohner betrieben werden dürfen. Es darf an dieser Stelle die Frage gestellt werden, wie es dazu kommen konnte, dass sogar Großgeräte wie Kühlschränke oder Fernseher sowie andere Gegenstände, deren Präsenz vom Wachdienst als Sicherheitsproblem eingestuft wird, in die Halle gelangen konnten. Überhaupt war die Situation nach Aussage von Herrn S., Geschäftsführer der DS Security GmbH, offiziell schon seit Monaten bekannt und wurde nach seiner Aussage mehrmals beim Landratsamt angemahnt. Wenn man wie Herr S. unterstellt, dass die Bewohner und Besucher der Halle seit Monaten permanent einer großen und akuten Gefahr ausgesetzt waren, die den verantwortlichen Stellen bekannt war und aufgrund ihrer Dringlichkeit eine derart rabiate Vorgehensweise erforderte, muss man zwangsläufig den Schluss ziehen, dass hier eine eklatante Missachtung der Sorgfalts- bzw. Dienstpflicht vorlag, deren juristische Konsequenzen es zu prüfen gilt.
Am Freitag gab Herr S., seiner Darstellung nach unter Rücksprache mit dem Ordnungsamt, den Einsatzbefehl. Obwohl sich der Asylkreis stets um ein gutes Verhältnis mit den Mitarbeitern des Landratsamts und des Sicherheitsdienstes bemüht hat, erachtete es keine Stelle für notwendig, den Asylkreis im Vorfeld oder zumindest bei Beginn der Maßnahme zu informieren. Dieses Verhalten spricht für sich und offenbart, welcher Stellenwert und welche Wertschätzung der Arbeit der Freiwilligen entgegengebracht wird – nämlich offensichtlich keine. Wir nehmen für uns in Anspruch, dass die bisher weitgehend friedliche und positive Stimmung zu einem großen Teil auf die Arbeit der freiwilligen Helfer zurückgeht, die stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Bewohner haben und sie mit Rat und Tat unterstützen. Dem entgegen steht insbesondere der Rhein-Neckar-Kreis, der die Arbeit des Asylkreises von Beginn an systematisch behindert hat und den Bewohnern keinen übergeordneten Ansprechpartner für ihre bedauernswerte Situation bietet.

Im Zuge der Räumung wurden nicht nur brennbare Gegenstände oder Elektrogeräte entsorgt, sondern auch allerlei andere Gegenstände wie die offiziell vom Landratsamt gestellten Stühle und Tische sowie persönliche Besitztümer wie Notenständer, Fahrradteile, ein Laptop oder sogar Lebensmittel. Die genannten Sachen wurden vor der Halle gesammelt und vor den Augen ihrer Besitzer und in Gegenwart der Öffentlichkeit in Container geworfen. Im Polizeibericht, der in großen Teilen von der Presse übernommen wurde, wurde dieser Vorgang als „Entrümpelung“ bezeichnet. Der Asylkreis distanziert sich in aller Deutlichkeit von dieser Wortwahl, denn der Begriff des Entrümpelns impliziert, dass es sich bei den betreffenden Gegenständen um „Gerümpel“ handelt – und nicht etwa um Einrichtungsgegenstände, die teilweise unter hohem finanziellen und zeitlichen Aufwand von den Bewohnern angeschafft und täglich benutzt wurden.

Überhaupt war das Vorgehen in jedem Sinne unverhältnismäßig. Zwar ist die Durchsetzung der Brandschutzbestimmungen ein legitimer Zweck und die Entfernung der problematischen Gegenstände auch grundsätzlich geeignet, diesen Zweck zu erreichen; die Aktion war in diesem Ausmaß jedoch weder erforderlich noch angemessen. Eine menschlich anständige Lösung hätte darin bestanden, einen Termin festzusetzen, bis zu dem alle verbotenen Gegenstände hätten entfernt sein müssen. Wären die Bewohner dieser Frist dann nicht nachgekommen, hätte eine Entfernung und Einlagerung der Sachen unter Einbeziehung der verantwortlichen öffentlichen Stellen wie Polizei und Feuerwehr stattfinden müssen, und nicht etwa durch ein privates Sicherheitsunternehmen, das keinerlei hoheitlichen Rechte besitzt. Von einer vorherigen Ankündigung wurde jedoch bewusst abgesehen – Herr S. erklärte, dass sich die Bewohner ja hätten organisieren und Mitglieder des Asylkreises eine Demonstration veranstalten können. Dazu hätten sie in einem demokratischen Rechtsstaat auch jedes Recht gehabt. Selbst wenn man die unangekündigte Räumung der Halle als notwendig erachtet hätte, so hätte doch die Möglichkeit bestanden, zusammen mit den jeweiligen Zimmerbewohnern die Gegenstände zu beschriften, zu inventarisieren und angemessen zu lagern. Stattdessen wurde wahllos Eigentum, darunter auch solches, welches offensichtlich keine Brandgefahr darstellt, vor den Augen seiner Besitzer in Container geworfen. Darauf angesprochen, dass es sich bei den betreffenden Gegenständen um Eigentum der Hallenbewohner handle, wurde von Seiten des Sicherheitsunternehmens die Behauptung aufgestellt, dass die Flüchtlinge in der Halle überhaupt keinen Besitz haben dürften und darüber hinaus die Gegenstände widerrechtlich vom Sperrmüll mitgenommen bzw. gestohlen worden seien. Über die Feststellung hinaus, dass ein Unternehmen, dessen Führungspersonal ein solches Verständnis und Menschenbild besitzt, auf keinen Fall eine Asylbewerberunterkunft bewachen dürfte, erübrigt sich jeder Kommentar.

Die Aktion am letzten Freitag hat die Bewohner der Halle fassungslos, verständnislos und vor aller Augen gedemütigt zurückgelassen. Ihre Würde wurde mit Füßen getreten und all das Vertrauen, das der Asylkreis Oftersheim unter großem Einsatz seiner freiwilligen Helfer seit Ankunft aufbauen konnte, zerstört. Die Bewohner wurden einem Verhalten ausgesetzt, wie man es vielleicht in ihren Herkunftsländern erwarten würde. Jetzt wurde ihnen das Bild vermittelt, dass Deutschland nicht für Rechtsstaatlichkeit, sondern vielmehr für Willkür und Gewalt steht. Worte, die dieses Unrecht ungeschehen machen können, gibt es nicht. Es bleibt nur die Hoffnung, dass nun schnell deutliche Schritte unternommen werden, um die Situation der Hallenbewohner nachhaltig zu verbessern und ihnen darüber hinaus gezeigt werden kann, dass solches Verhalten in Deutschland nicht geduldet wird und für alle Verantwortlichen ernsthafte Konsequenzen mit sich bringt.

Heidi Joos
Leiterin des Asylkreises
heidi.joos@asylkreis-oftersheim.de